Windkraft und Artenschutz
Schutzgebiete für Rotmilan, Schwarzstorch und Abendsegler
Im Jahr 2019 war der NABU Hessen Anstoßgeber zur Erarbeitung von Artenhilfs-Programmen für die neun windkraftsensiblen Arten Rotmilan, Schwarzstorch, Wespenbussard, Waldschnepfe, Bechstein-, Mops- und Rauhautfledermaus sowie Großer und Kleiner Abendsegler. Ein Jahr nach dem offiziellen Programmstart ziehen der NABU Hessen nun eine erste Bilanz und prüft, inwieweit die Versprechung von Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Umweltministerin Priska Hinz, „unser Ziel ist also: mehr Windräder und mehr Rotmilane“, bislang umgesetzt wurde. Die von der Landesregierung in Angriff genommenen Maßnahmen sind ein Schritt in die richtige Richtung, greifen aber viel zu kurz.
Große Wildnisflächen schützen Vögel und Fledermäuse
So ist es durchaus sinnvoll, Schwarzstorch-Horste mit Baummanschetten gegen Fressfeinde zu sichern oder kleine Schutzzonen um derzeitige Kolonien der Fledermaus „Kleiner Abendsegler“ einzurichten. Das sind aber letztlich nur statische Konzepte, die der Natur nicht wirklich gerecht werden. Nur in großflächigen Schutzgebieten haben die Tiere die Möglichkeit, neue Horstbäume und Quartiere zu finden, wenn die alten durch Windwurf, Trockenschäden, Alterung oder Verkehrssicherungsmaßnahmen verloren gehen und sie umziehen müssen. Es reicht nicht, kleine Restpopulationen wie vom Großen Abendsegler (3 Kolonien) oder der Mopsfledermaus (14 Kolonien) zu erhalten, sondern sie müssen auch in ihrer Zahl zunehmen. Individuenverluste an Windkraftanlagen können nur ausgeglichen werden, wenn anderswo neue Lebensräume erschlossen werden. Deshalb fordert der NABU Hessen in seinem Sechs-Punkte-Forderungskatalog, solche Schutzgebiete jetzt einzurichten, damit geeignete Ersatz-Lebensräume zur Verfügung stehen.Über 80 Prozent der hessischen Windvorrangflächen liegen in Wäldern. Deswegen sollten auch Schutzgebiete bevorzugt dort eingerichtet werden, um die dort lebenden Arten zu schützen.
Wenn die Landesregierung nach dem Motto „2 Prozent Windkraft – 2 Prozent Wildnis“ handelt, kann der Schutz der biologischen Vielfalt auch überall sichtbar werden.
Gerhard Eppler
Landesvorsitzender NABU Hessen
Das Land kann damit auch das Ziel der Nationalen Biodiversitätsstrategie aus dem Jahr 2008 erfüllen, in jedem Bundesland 2 Prozent Wildnisflächen von jeweils mehr als 1.000 Hektar Größe einzurichten. Derzeit ist Hessen mit lediglich 0,5 Prozent davon noch weit entfernt. Da Umsetzung von Naturschutz-Maßnahmen auf privatem Grund nicht dauerhaft und nur mit großem finanziellem Aufwand möglich ist, sollte sich das Land darauf konzentrieren, Schutzprojekte im Wald primär auf Landesflächen umzusetzen. Der Vorteil ist, dass Schutzgebiete im Landesbesitz ganz schnell ausgewiesen werden können. Der NABU hat auch schon konkrete Vorschläge für den Staatswald erarbeitet.
Effizienz der Artenhilfsprogramme muss verbessert werden
Auch die Organisation der Artenhilfsprogramme lässt zu wünschen übrig..Da eine Steuerung durch das Umweltministerium nur bis zum Jahr 2024 vorgesehen ist, werden aufwändigere Maßnahmen erst gar nicht begonnen. Um die Artenhilfsprogramme auf Dauer anzulegen, bedarf es einer „Taskforce“, also einer Gruppe von Fachexpert*innen der Umweltverwaltung, die federführend für die Umsetzung der Artenhilfsprogramme zuständig ist. Dazu ist auch eine deutlich bessere Finanzausstattung für die praktische Umsetzung von Hilfsmaßnahmen notwendig, vor allem im Offenland und an Gewässern. Der NABU Hessen ist erstaunt, dass bislang kein jährlicher Erfolgsbericht vorgesehen ist. Um die Wirkung der Artenhilfsmaßnahmen zu überprüfen und damit auch die Akzeptanz der Energiewende zu erhöhen, ist eine jährliche Bilanzierung und Veröffentlichung der Ergebnisse von großer Bedeutung.
Ausbau der erneuerbaren Energien ist notwendig
Der NABU Hessen bekennt sich weiterhin zum Ausbau der erneuerbaren Energien als wichtigem Baustein zur Zukunftssicherung in der Klimakrise.Windkraftausbau und Artenhilfsprogramme sind zwei Seiten einer Medaille. Eine nachhaltige Entwicklung ist nur möglich, wenn beides zusammengedacht und gleichgewichtig umgesetzt werde. Deshalb begrüßt der NABU weitere von der Landesregierung angestoßene Naturschutzprogramme, die auch windkraftsensiblen Arten zugutekommen – so die Kooperationsvereinbarung Naturschutz und Landwirtschaft, der Aufbau von Landschaftspflegeverbänden, die Strategie zur Reduktion von Pestiziden, die Erhöhung des Anteils der Öko-Anbaufläche auf 25 Prozent bis 2025 und die Novellierung der Naturschutzleitlinie für den Staatswald.Nun gilt es, diese Versprechungen zu halten und zeitnah umzusetzen.