Hessen trägt für den Rotmilan eine besondere Verantwortung – Foto: Dieter Bark
Natur- und Klimaschutz fördern
NABU-Forderungen zur Landtagswahl 2023
Auf die nächste Landesregierung kommen große und wichtige Aufgaben zu: Die Natur- und die Klimakrise wirken sich immer deutlicher auf unseren Alltag aus und brauchen tragfähige Lösungen. Ein großes Potenzial liegt bei natürlichen Klimaschutzmaßnahmen, also z.B. der Renaturierung von Mooren, dem Schutz von Wiesen und Weiden sowie der Sicherung naturnaher Wälder. Die Landtagswahl im Oktober ist wegweisend, da es letztlich um den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen in Hessen geht. Unsere sieben NABU-Forderungen können Ihnen dabei als wichtige Wahlprüfsteine dienen.
1. Naturverträglicher Ausbau der erneuerbaren Energien
- Die Akzeptanz des Ausbaus erneuerbarer Energien ist bei angestrebten 2300 bis 2800 Windkraftanlagen in Hessen nur zu erreichen, wenn der Artenschutz in der Fläche genauso so sichtbar wird wie Windräder in der Landschaft.
- Es reicht nicht aus, den Niedergang der biologischen Vielfalt nur zu verlangsamen. Neue Lebensräume müssen dabei helfen, die Bestände gefährdeter Arten zu erhöhen und ihre Verbreitungsgebiete zu erweitern, um Verluste durch die Windkraft ausgleichen zu können. Nach den Horstschutzzonen für Schwarzstörche muss mit Lebensraumverbesserungen für den Rotmilan begonnen werden, v.a. in den bereits vom Wirtschaftsministerium definierten neun „Maßnahmenräumen".
- Für neue Lebensräume müssen Eigentumsflächen des Landes bereitgestellt werden.
- Wenn 80% der Vorrangflächen für Windkraft in Waldgebieten liegen, muss parallel dazu auch der Schutz von Wäldern vorangetrieben werden.
- Es ist inakzeptabel, wenn politische Windkraftziele wie die Zurverfügungstellung von 2% der Landesfläche für Windkraft zielstrebig durchgesetzt werden, aber Naturschutzziele wie die Ausweisung von 2% des Landes als Wildnisgebiete bis zum Jahr 2020 auch drei Jahre später noch nicht umgesetzt sind.
- Über die Novellierung der hessischen Bauordnung ist zu erreichen, dass Hallen in Gewerbegebieten generell mit Photovoltaik-Anlagen oder Solarthermie ausgerüstet werden. Das muss sowohl für Alt- als auch für Neubauten gelten. Es bedarf zudem einer Photovoltaikpflicht bei Neubauten von Wohngebäuden.
2. Effektive Maßnahmen zum Wasserrückhalt in der Landschaft
- Entwässerungen der Vergangenheit waren nicht nur für Lebensräume und Arten ein großes Problem, sondern sind es heute in trockenen Jahren auch für das Überleben von Wäldern, die Bodenfruchtbarkeit der Landwirtschaft und die Trinkwassergewinnung. Es braucht effektive Maßnahmen zum Wasserrückhalt in Wäldern sowie in der Feldflur und zur Stärkung der Grundwasserneubildung. Dabei spielt eine klimaangepasste Forstwirtschaft mit Dauerwald und geschlossenen Beständen eine große Rolle. Zudem muss Feuchtgrünland erhalten und neu geschaffen werden.
- Die Rolle des Bibers als Landschaftsgestalter und Wasserbauer muss gestärkt werden.
- Die Versiegelung von Böden darf nicht weiter voranschreiten. Deshalb muss der Flächenverbrauch in Hessen von jetzt 2,63 auf 0,00 Hektar pro Tag im Jahr 2030 heruntergefahren werden.
3. Programm für 8.000 Kilometer natürliche Auenstreifen von mindestens 10 Meter Breite
- In der „Kooperationsvereinbarung Naturschutz und Landwirtschaft“ wurde vom Umweltministerium ein Programm für naturnahe Auenstreifen an Flüssen und Bächen versprochen. Es muss aber noch mit einem konkreten Umsetzungsplan und Personal unterlegt werden, um Verträge oder Käufe zeitnah abschließen zu können.
- Hessen braucht in allen Landkreisen Projektentwickler, die Artenschutz und Gewässerrenaturierung zusammen umsetzen – wie beim „100 wilde Bäche“-Programm. Diese Auenbereiche könnten bei natürlicher Entwicklung auch einen Beitrag zur Erfüllung der EU-Biodiversitätsstrategie von 10% „strikter Schutzgebiete“ erfüllen.
- Aus den Trippelschritten der Vergangenheit bei der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmen-Richtlinie muss nun ein Sprint werden, um ihre Ziele zum Gewässerschutz bis zum Jahr 2027 noch zu erreichen.
- Zur Auenentwicklung müssen die Instrumente der Flurneuordnung genutzt werden. Dazu muss mehr Personal für Flurneuordnungsverfahren bereitgestellt werden.
- Zur Finanzierung des Gewässerschutzes muss die Grundwasserabgabe als Finanzierungsinstrument wieder eingeführt werden.
4. Ausweisung von zehn neuen Wildnisgebieten im Hessischen Staatswald
- Das Ziel, zehn neue Wildnisgebiete im hessischen Staatswald auszuweisen, um das 2%-Wildnisziel der Nationalen Biodiversitäts-Strategie zu erfüllen, wurde bereits im Jahr 2008 formuliert und sollte bis 2020 erfüllt sein. Das Land muss hierzu noch 31.000 Hektar Staatswald bereitstellen. Mit den bereits ausgewählten Naturwäldern würde dann insgesamt ein Anteil von 20 Prozent des Staatswaldes für natürliche Entwicklung erreicht. Sechs Naturschutzverbände haben bereits eine Vorschlagsliste für weitere Wildnisgebiete vorgelegt.
- Alle hessischen Naturwälder ab 50 Hektar Größe müssen als Naturschutzgebiete gesichert werden. Bislang werden nur Naturwälder über 100 Hektar Größe ausgewiesen.
5. Schaffung eines Biotopverbunds für mehr Artenvielfalt auf 15% der Fläche im Offenland
- Die Schaffung eines Biotopverbunds wird insbesondere in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft wie in der Wetterau, der Fritzlarer Börde und im Hessischen Ried rund um Groß-Gerau eine große Herausforderung. Hier ist dann aber auch eine spürbare Aufwertung zu erreichen. Deshalb bedarf es in diesen Regionen besonderer Anstrengungen.
- Das Land Hessen muss ausreichend Personal zur Umsetzung des Biotopverbunds bereitstellen, ggf. über die Förderung der Landschaftspflegeverbände.
- Hessen braucht eine landesweite Wegrandstreifen-Strategie mit Information, Beratung und Fortbildung der Gemeinden. Die Pflege muss künftig eine feste Aufgabe der Landschaftspflegeverbände werden und bedarf einer Förderung des Landes.
- Das Land muss genügend Finanzmitteln für den Ankauf von gefährdeten Wiesen und Weiden bereitstellen.
- Im Rahmen des Konzepts „Natur auf Zeit“ müssen Artenschutzmaßnahmen für gefährdete Tiere und Pflanzen im oberflächennahen Rohstoffabbau gefördert werden.
6. Umsetzung einer Pestizid-Reduktionsstrategie und Etablierung des Ökolandbaus auf 25% der landwirtschaftlichen Fläche
- Die Ziele der EU zur Pestizidreduktion müssen übernommen werden. Das bedeutet eine Reduzierung von Anwendung und Risiko chemischer Pestizide um mindestens 50% bis zum Jahr 2030.
- Zum effektiven Schutz der biologischen Vielfalt muss das Land den Einsatz synthetischer Pestizide in sensitiven Gebieten wie städtischen Grünanlagen, Parks oder Gärten, Spielplätzen, Erholungsgebieten, Sportstätten, an öffentlichen Wegen, in Natura 2000-Schutzgebieten, Naturschutzgebieten und allen ökologisch sensiblen Gebieten untersagen.
- Die Reduktionsziele müssen konkret sein. Dazu braucht es eine rasche Ist-Zustands-Erhebung, die Festlegung von Zwischenschritten, jährliche Erfolgsberichte und die Evaluierung des Prozesses. Wichtig ist hierbei nicht nur die Menge an Pestiziden, sondern auch deren Giftigkeit und mögliche Wechselwirkungen zwischen einzelnen Pestiziden.
7. Umsetzung eines effektiven Managements von Europäischen Schutzgebieten und Naturschutzgebieten
- FFH-Gebiete und EU-Vogelschutzgebiete bieten bislang keinen guten Schutz der Natur, weil ihre hessischen Verordnungen „inhaltsleer“ sind. In Ihnen fehlen Ge- und Verbote sowie gebietsspezifische Erhaltungs- und Entwicklungsziele. Die Verordnungen müssen deshalb inhaltlich erweitert werden.
- In die Schutzbemühungen müssen ehrenamtliche Schutzgebietsbetreuer*innen der Natur- und Umweltverbände mit eingebunden werden.
- Die Ziele der neuen EU-Biodiversitätsstrategie und das EU-Restoration Law erfordern mehr Schutzgebiete, ein besseres Management und die Wiederherstellung von Lebensräumen.
- Maßnahmenpläne für Natura 2000-Gebiete müssen künftig neben den Erhaltungszielen auch neue geeignete Flächen für Entwicklungsziele abgrenzen. Solche geeigneten Ergänzungsflächen sind deshalb vorsorglich von Bebauungen komplett freizuhalten, auch von Freiflächen-Photovoltaik.
- Die neun vom Land Hessen festgelegten Maßnahmenräume für windkraftsensible Arten müssen bei der EU als Ergänzungsflächen für das Restoration Law mit angemeldet werden.
- Wälder in FFH-Gebieten müssen ihre Geschlossenheit als Schutz vor Austrocknung bewahren. Dazu sind strengere Bewirtschaftungsvorgaben zu erlassen.
Programme der im Landtag vertretenen Parteien im Vergleich
Die NABU-Forderungen zur Landtagswahl 2023 können hier auch als pdf-Datei heruntergeladen werden. Zudem bieten wir einen Vergleich der Programme der im Landtag vertretenen Parteien zum Themenbereich Natur- und Klimaschutz an. Hierbei ist auch die AfD vertreten. Die AfD ist aber programmatisch als eine nationalistische Partei einzuordnen, die zunehmend rassistische, verfassungsfeindliche und antidemokratische Positionen vertritt, die unserem Grundgesetz und den Werten einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuwiderlaufen.
Antworten der Parteien zu NABU-Wahlprüfsteinen
Der NABU Hessen hat die im Landtag vertretenen Parteien auch direkt angefragt und um Antworten zu den sieben NABU-Wahlprüfsteinen gebeten. Bis auf die SPD – hier warten wir noch auf eine Reaktion – haben sich alle Parteien zurückgemeldet. Die Antworten können hier als pdf-Dateien heruntergeladen werden.