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Für ein Artenreiches Hessen

NABU-Appell an schwarz-grüne Koalitionsverhandler

Der NABU ruft die schwarz-grünen Koalitionsverhandler dazu auf, für einen besseren Schutz der biologischen Vielfalt, mehr Naturwälder, eine naturnahe Gestaltung von Flüssen, Bächen und Seen sowie die Förderung der ökologischen Landwirtschaft zu sorgen.


  • Besserer Schutz der Artenvielfalt - Foto: Shutterstock/Gabi Wolf

  • Mehr naturnahe Wälder - Foto: Manfred Delpho

  • Gewässer naturnäher gestalten - Foto: Mark Harthun

  • Förderung des Ökolandbaus - Foto: Eva Trolp

Mit 15 Forderungen zum Natur- und Umweltschutz appelliert der NABU an die schwarz-grünen Koalitionsverhandler, die wichtigen Zukunftsaufgaben rund um den Schutz der biologischen Vielfalt und des Klimas in den Mittelpunkt ihrer Unterredungen zu stellen. "Es gilt, bei den Gesprächen und Vereinbarungen die Sicherung unserer Lebensgrundlagen nicht aus den Augen zu verlieren", so NABU-Landesvorsitzender Gerhard Eppler.


1. Achttausend Kilometer natürliche Auen

Mit einem Landesprogramm zum Ankauf von zehn Meter breiten Gewässerentwicklungsstreifen auf 8.000 Kilometer Länge sollen Hessens Flüsse mehr naturnahe Auen erhalten. Die Feuchtgebiete müssen wieder vielfältige Lebensräume für gefährdete Tier- und Pflanzenarten bereithalten. Wichtige Eckpunkte der Umsetzung sind ein umfassender Biber-Managementplan sowie der Einbezug landeseigener Flächen und relevanter Instrumente der Flurneuordnung. Im Zuge des Gewässerschutzes muss die Europäische Wasserrahmenrichtlinie vollständig umgesetzt werden. Hierbei gilt es auch, den Auenschutz als aktive Vorsorge für klimawandelbedingte Wetterextreme zu verstehen. Für die Finanzierung von Maßnahmen muss die Grundwasserabgabe, die es in den meisten Bundesländern gibt, in Hessen wiedereingeführt werden.


2. Zehntausend Hektar wilde Wälder

Entsprechend der Hessischen Biodiversitätsstrategie müssen sich auf fünf Prozent der Waldfläche artenreiche Naturwälder entwickeln können. Dazu fehlen in der nächsten Legislaturperiode noch 10.000 Hektar. Um die gefährdeten Arten alter Wälder effektiv zu schützen, sollte sich die Auswahl der Flächen vor allem auf große Gebiete mit min-destens 1.000 Hektar konzentrieren. Alle Naturwälder über 50 Hektar Größe sind als Naturschutzgebiete langfristig zu sichern.


3. Schutz der Artenvielfalt

Als Sofortmaßnahme zum Schutz der biologischen Vielfalt muss auf allen landeseige-nen Landwirtschaft- und Grünflächen ein Pestizidverbot eingeführt werden. Für eine effektive Hessische Biodiversitätsstrategie sind zudem umfassende Artenhilfsprogramme aufzulegen. An öffentlichen Gebäuden und auf öffentlichem Land muss der praktische Artenschutz zur Selbstverständlichkeit werden. An allen Straßen hat das Verursacherprinzip zu gelten. Demnach muss der Straßenbau auch den Amphibien-schutz an den Verkehrswegen finanzieren. Das Jagdrecht ist so zu reformieren, dass gefährdete Arten dauerhaft geschont werden.


4. Förderung des Klimaschutzes

Die hessischen Treibhausgas-Emissionen müssen in der nächsten Legislaturperiode auf deutlich unter 25 Mio Tonnen CO2-Äquivalente abgesenkt werden. Dazu braucht es eine Forcierung schnell umsetzbarer Maßnahmen für Energieeinsparung und Energie-effizienz. Eine Schlüsselrolle spielt die Wärmedämmung im Gebäudebereich, wo viel Kreativität bei der Steigerung der Sanierungsrate gefragt ist. Auch die Umweltbildung kann zur Umsetzung des Klimaschutzes beitragen. Im Bundesrat muss sich das Land Hessen für den Ausstieg der Energiegewinnung aus Braun- und Steinkohle einsetzen.


5. Naturverträgliche Energiewende

Um die Energiewende naturverträglich zu gestalten, sind gefährdete Tier- und Pflanzenarten, die unter dem Ausbau erneuerbarer Energien leiden, mit Artenschutzprogrammen gezielt zu fördern. Hierbei spielt die Änderung der Land- und Waldbewirtschaftung in ihren Schwerpunkträumen eine wichtige Rolle. Der Neubau von Windkraftanlagen darf zwei Prozent der Landesfläche nicht überschreiten, 98 Prozent müssen tabu sein. Für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende ist es wichtig, dass die Qualität von Fachgutachten gesichert wird. Bei der Nutzung von Biomasse ist der Reststoffverwertung Vorrang vor der Nutzung von Mais einzuräumen. Über die Novellierung der hessischen Bauordnung ist zu erreichen, dass Hallen in Gewerbegebieten, die z.T. hektargroß sein können, mit Photovoltaik-Anlagen oder Solarthermie ausgerüstet werden.


6. Naturnahe Landwirtschaft

Bei der Förderung der Landwirtschaft hat zu gelten, dass es öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen geben kann. Hessen muss sich auf Bundesebene dafür stark machen, dass die EU-Förderung der Landwirtschaft von flächenbezogenen Direktzahlungen auf Agrarumweltprogramme umgestellt wird. Zudem sind wertvolle Lebensräume der offenen Feldflur gesetzlich zu schützen. Auch der ökologische Landbau muss weiter gefördert werden. In diesem Zusammenhang ist die „gute fachliche Pra-xis“ der Landwirtschaft neu festzulegen. Alle Maßnahmen haben dazu beizutragen, dass die Roten Listen der Tiere und Pflanzen der Agrarlandschaft nicht noch länger werden.


7. Artenreiche Wirtschaftswälder

Die hessischen Wälder müssen zu Dauerwäldern weiterentwickelt werden. Alte Bestände sind dabei ganz unter Schutz zu stellen. Dazu darf die Einschlagsmenge in zehn Jahren 30 Prozent des Holzvorrates nicht überschreiten. Die Waldplanung in Form der Forsteinrichtung muss unabhängig gestaltet und öffentlich zugänglich gemacht wer-den. Nach der Auszeichnung des Staatswaldes ist die FS-Zertifizierung auch im Kommunalwald voranzutreiben. Zudem muss die „gute fachliche Praxis“ der Forstwirt-schaft an neue Artenschutzkenntnisse angepasst und gesetzlich neu definiert werden.


8. Förderung der Umweltbildung

Die Bildung für nachhaltige Entwicklung ist eine Schlüsselaufgabe der Zukunftssicherung. Regionale Umweltbildungszentren in jedem Landkreis und innovative Bildungsprojekte müssen stärker finanziell gefördert werden. Hessen braucht einen Masterplan zur Nachhaltigkeitsbildung für alle Altersgruppen. Zur Förderung des Naturerlebens ist in allen Naturparken ein Netz von einfachen Trekkingplätzen einzurichten, auf denen legal für eine Nacht gezeltet werden darf.


9. Stopp der Landschaftszersiedelung

Zum Schutz der biologischen Vielfalt muss der weitere Landschaftsverbrauch gestoppt werden. Der Landfraß von über 3,6 Hektar pro Tag in Hessen ist viel zu groß. Bei der Verringerung besitzt die Innenverdichtung in Gewerbe- und Wohngebieten oberste Priorität. Der Bebauung bereits genehmigter Flächen ist Vorrang vor der Ausweisung neuer Baugebiete zu geben. Alle Kompensationsmaßnahmen müssen nachprüfbar umgesetzt und rechtlich abgesichert werden. Hierbei dürfen Eingriffe in die Natur nicht mit Ökopunkten aus Naturschutzmaßnahmen im Staatswald ausgeglichen werden.


10. Effektiverer Naturschutz

Das hessische Naturschutzgesetz ist dahingehend zu novellieren, dass die Vorrangregelung für den Vertragsnaturschutz gestrichen und die Ausweisung von Naturschutzgebieten wieder ermöglicht wird. Der Katalog der gesetzlich geschützten Biotope ist zu erweitern. Die Pflege von Gehölzstreifen an Straßen und Gewässern muss unter expliziter Berücksichtigung des Artenschutzes erfolgen. Das landwirtschaftliche Vorkaufsrecht darf künftig keinen Vorrang vor dem Natur- und Gewässerschutz mehr erhalten. Um Naturschutzprojekte langfristig abzusichern, muss ein Fördertopf für den Flächenerwerb eingerichtet werden.


11. Förderung des Ehrenamts

Ohne den Einsatz vieler ehrenamtlich Aktiver im praktischen Naturschutz, bei der Erhebung wertvoller naturschutzfachlicher Daten, in der Natur- und Umweltbildung, mit fachlichen Stellungnahmen zu Eingriffen in Natur und Landschaft und in der Öffentlichkeitsarbeit wäre der amtliche Naturschutz kaum in der Lage, seine wichtigen Aufgaben zu bewältigen. Deshalb ist das Ehrenamt bei der Schutzgebietsbetreuung intensiver einzubinden. Zudem müssen die Naturschutzbeiräte gestärkt werden.


12. Mehr Fachkräfte im Naturschutz

Der hessische Naturschutz benötigt eine starke Verwaltung mit mehr hauptamtlichen Fachkräften: So warten über 600 Maßnahmenpläne für Natura-2000-Schutzgebiete auf eine fachlich qualifizierte Umsetzung. Zudem sind viele Kompensations-Verpflichtungen zu bewerkstelligen und zu kontrollieren. Zur Effizienzsteigerung muss die derzeit auf die Forst-, Landwirtschafts- und Naturschutzverwaltung gestreute Verantwortlichkeit gebündelt und fortgebildet werden. Für die Umsetzung der Was-serrahmenrichtlinie brauchen wir in allen Landkreisen Projektentwickler, die Arten-schutz und Gewässerrenaturierung verknüpfen.


13. Einleitung der Verkehrswende

Der motorisierte Individualverkehr ist verantwortlich für einen erheblichen Energie-verbrauch und Schadstoffausstoß. Er belastet die Lebensqualität und die Gesundheit der Menschen besonders in den Städten. Für die Zukunft braucht es eine Raum- und Stadtplanung, die stärker auf den öffentlichen Verkehr sowie Fahrradfahrer und Fußgänger ausgerichtet ist. Deshalb muss ein Förderschwerpunkt auf dem Ausbau des öffentlichen Schienenverkehrs und der Elektromobilität liegen. Der Güterverkehr gehört weitestgehend auf die Schiene. Zur Unterstützung junger Menschen muss das Schülerticket in Hessen dauerhaft erhalten bleiben.


14. Erhalt hessischer Naturschätze

Die europäischen Schutzgebiete Natura 2000 müssen zu Vorbildräumen des Naturschutzes weiterentwickelt werden. Durch die Einbindung des Ehrenamtes ist ihr Schutz effizienter zu gestalten. Für Waldgebiete braucht es klare Handlungsgrundsätze zur Mindestbestockung und ein Verbot der Pflanzung nichtheimischer Baumarten. Die bestehenden Schutzgebietsverordnungen sind durch effektive Ge- und Verbote zu konkretisieren. Alle Maßnahmen sollen durch Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden.


15. Entwicklung der Großschutzgebiete

Der Nationalpark Kellerwald-Edersee ist im Umweltministerium der Obersten Natur-schutzbehörde zuzuordnen. Die Nutzungsfreiheit auf mindestens 75 Prozent der Fläche muss auch die Jagd miteinschließen. Im Biosphärenreservat Rhön gilt es, wertvolle Lebensräume wie extensiv genutztes Grünland und Moore besser zu schützen. Die Modellregion für nachhaltige Entwicklung sollte eine stärkere Förderung für innovative Projekte erhalten.


0.6 MB - NABU-Forderungen zu Koalitionsvereinbarungen
 

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