Die Stunde der Gartenvögel
Wie sieht es in den hessischen Gärten aus?




Die häufigsten Vogelarten im Garten 2006 bis 2016
Wer fliegt denn nun in unseren Gärten und Parks?
Nach 15 Jahren Stunde der Gartenvögel kann sich der NABU ein Bild der deutschen Vogelarten im Siedlungsraum machen. Fast überall kommt die Amsel vor, nur in einem von 20 Gärten fehlt sie. Auch Kohlmeise, Blaumeise und Elster werden von den meisten Teilnehmern entdeckt. Der zahlenmäßig häufigste Gartenvogel, der Haussperling lebt dagegen nur in knapp 70 Prozent der Gärten, dort dann aber häufig in größeren Gruppen.
Gewinner und Verlierer

Wer stark von Insekten abhängig ist, wie dieses Hausrotschwanzmännchen hat es derzeit schwer - Foto: Frank Derer
Bundesweit gehören Mauersegler, Mehlschwalben und Rotschwänzchen zu den Verlierern. Sie sind stark von Insekten abhängig und benötigen geeignete Nistmöglichkeiten an Gebäuden. Beides ist inzwischen immer seltener verfügbar.
Einige Vogelarten konnten aber auch deutlich zulegen. So zeigen sich positive Bestandstrends vor allem bei den Feldsperlingen und einigen typischen Waldvögeln (wie etwa der Ringeltaube, dem Eichelhäher und dem Buntspecht). Da der Baumbestand unserer Dörfer und Vorstädte immer älter wird und einen immer waldähnlicheren Charakter annimmt, können diese Arten zunehmend den Siedlungsraum für sich erobern.
Die Stunde der Gartenvögel in Hessen
2019 gab es in Hessen einen absoluten Teilnahmerekord mit 5.754 Teilnehmer*innen, die 119.189 Vögel aus 3.926 Gärten meldeten. Der Haussperling ist weiterhin mit 5,58 erfassten Individuen pro Meldung häufigster Gartenvogel. Die Blaumeise schiebt sich mit einem Plus von 11% auf Platz zwei. Die Amsel fällt erstmals nach einem Minus von 13% im Vergleich zum Vorjahr auf Platz drei zurück. Insgesamt wurden bei der Stunde der Gartenvögel in Hessen 30,3 Vögel pro Garten gesichtet.
2018 wurden in Hessen von 3.422 Teilnehmer*innen 75.200 Vögel aus 2.300 Gärten gemeldet. Der Haussperling bleibt mit 5,24 erfassten Individuen pro Meldung häufigster Gartenvogel, gefolgt von Amsel, Kohlmeise, Blaumeise und Star. Insgesamt wurden bei der Stunde der Gartenvögel in Hessen 32,6 Vögel pro Garten gesichtet. Damit liegt das Endergebnis 6,3 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt von 34,8 Vögeln pro Garten.
2017 meldeten in Hessen über 3.500 Vogelfreund*innen knapp 79.000 Vögel. Der Haussperling bleibt mit 5,1 erfassten Individuen pro Meldung häufigster Gartenvogel, gefolgt von Amsel, Kohlmeise und Blaumeise.
2016 haben in Hessen 2.623 Vogelfreund*innen in 1748 Gärten 63041 Vögel gezählt. Sie haben beobachtet, dass der Haussperling mit 5,37 Tieren pro Garten am zahlreichsten vertreten ist. Auf Platz 2 und 3 landeten Amsel (3,39 Tiere pro Garten) und Kohlmeise (3,16 Tiere pro Garten).
Ein paar Fallbeispiele unter der Lupe
Spatzen sind in Hessen, wie auch bundesweit mit Abstand die am häufigsten gemeldeten Gartenvögel. Bundesweit werden jedes Jahr 2,9% mehr Spatzen pro Garten gemeldet. Die lärmenden Spatzen-Trupps sind meist schnell zu entdecken und wegen ihrer Vorliebe für Auftritte in Gruppen auch leichter zu zählen.
Interessant ist dabei, dass neben den klassisch in Siedlungen auftretenden Haussperlingen auch immer mehr Feldsperlinge gesichtet werden. 2018 sichteten die hessischen Beobachter durchschnittlich 5,28 Haussperlinge und 1,59 Feldsperlinge pro Garten.
Der Anstieg der Feldsperlinge erklärt sich vermutlich durch das niedrigere Futterangebot in den Agrarflächen. Die anpassungsfähigen Spatzen wandern dann in erfolgversprechendere Lebensräume ab.

Mauersegler und Schwalben finden inzwischen immer seltener geeignete Nistplätze - Foto: Stephan Güthlein
Mauersegler haben als reine Fluginsektenfresser derzeit schwer zu kämpfen. Bei ihnen werden bundesweit die stärksten Sichtungsrückgänge verzeichnet. Bundesweit gingen die Sichtungen zwischen 2006 und 2018 pro Jahr um 6,7% zurück.
In Hessen sind Mauersegler noch häufiger zu sehen, als in den meisten anderen Bundesländern (nur in vier Bundesländern lagen die langjährigen Mittelwerte der Sichtungen pro Garten über dem hessischen Wert). Allerdings scheint es auch in Hessen einen deutlich sinkenden Bestandstrend zu geben. Die Meldungen gehen hier pro Jahr um 8,01% zurück.
Die Hauptprobleme der Mauersegler stellen der allgemeine Rückgang der Insektennahrung und das Wegfallen von geeigneten Brutplätzen an Hausfassaden dar.
Im Untersuchungszeitraum stieg die durchschnittliche Zahl der gemeldeten Ringeltauben pro Garten bundesweit um 3,6% pro Jahr. Auch in Hessen ließ sich dieser positive Bestandstrend beobachten. Hier stieg Anzahl der pro Garten beobachteten Ringeltauben von durchschnittlich 0,7 in 2006 auf 1,2 in 2018.
Diese Art lebte ursprünglich in offenen Landschaften mit kleineren Waldflächen oder Feldgehölzen. Die ehemals scheuen Ringeltauben haben inzwischen aber vor allem in Mitteleuropa die menschliche Nähe zu schätzen gelernt. Heute sind Ringeltauben auch in Grünanlagen, Parks, Friedhöfen und größeren Gärten heimisch.
Die Amsel ist nicht nur unsere häufigste Drosselart, sie ist in Deutschland die häufigste Vogelart überhaupt. Auch sie war vor etwa 150 Jahren noch ein eher scheuer Waldvogel. Amseln haben sich in unseren Städten und Dörfern so gut eingelebt, dass sie meist schon dreimal im Jahr brüten.
An ihrem Beispiel kann gut gezeigt werden, dass viele Faktoren die Bestände einzelner Vogelarten stark beeinflussen können und dass sich erst durch genaue Analyse der Umstände und eine langfristige Beobachtung wirklich Aussagen treffen lassen.
Die Amselbestände zeigten ab 2011 lokal starke Einbrüche. Der Grund war bald gefunden: Seit 2010 zirkuliert in Deutschland das für Vögel gefährliche Usutu-Virus. Obwohl über 30 Vogelarten nachweislich an dem Virus erkranken können, ist von den untersuchten 15 häufigsten deutschen Gartenvögeln nur der Bestand der Amseln deutlich betroffen. In Gebieten, wo das Usutu-Virus auftrat, gingen die Amselpopulationen von 2011 bis 2016 im Durchschnitt um 16 Prozent stärker zurück als im Rest Deutschlands. Eine allgemeine Gefährdung der Amsel es nicht zu befürchten, aber in den jeweiligen Ausbruchsgebieten gehen die Amselzahlen messbar zurück. Nach den Ausbrüchen steigt die Zahl dann langsam wieder an, stabilisiert sich möglicherweise auf einem etwas niedrigeren Niveau.
Besonders spannend ist nun die Frage, wie anhaltend der negative Einfluss auf die Amselpopulationen ist. Können sich deren Bestände in Gebieten, in denen sich das Virus etabliert hat, stabilisieren? Oder können sie gar die ursprünglichen Bestandsgrößen wieder aufbauen? Für diese Fragen sind Daten wie sie in der Stunde der Gartenvögel gewonnen werden äußerst hilfreich.