Die Stunde der Gartenvögel
Wie sieht es in den hessischen Gärten aus?




Die häufigsten Vogelarten im Garten 2006 bis 2016
Wer fliegt denn nun in unseren Gärten und Parks?
Nach 20 Jahren Stunde der Gartenvögel kann sich der NABU ein Bild der deutschen Vogelarten im Siedlungsraum machen. Fast überall kommt die Amsel vor, nur in einem von 20 Gärten fehlt sie. Auch Kohlmeise, Blaumeise und Elster werden von den meisten Teilnehmern entdeckt. Der zahlenmäßig häufigste Gartenvogel, der Haussperling lebt dagegen nur in knapp 70 Prozent der Gärten, dort dann aber häufig in größeren Gruppen.
Gewinner und Verlierer

Wer stark von Insekten abhängig ist, wie dieses Hausrotschwanzmännchen hat es derzeit schwer - Foto: Frank Derer
Bundesweit gehören Mauersegler, Mehlschwalben und Rotschwänzchen zu den Verlierern. Sie sind stark von Insekten abhängig und benötigen geeignete Nistmöglichkeiten an Gebäuden. Beides ist inzwischen immer seltener verfügbar.
Einige Vogelarten konnten aber auch deutlich zulegen. So zeigen sich positive Bestandstrends vor allem bei den Feldsperlingen und einigen typischen Waldvögeln (wie etwa der Ringeltaube, dem Eichelhäher und dem Buntspecht). Da der Baumbestand unserer Dörfer und Vorstädte immer älter wird und einen immer waldähnlicheren Charakter annimmt, können diese Arten zunehmend den Siedlungsraum für sich erobern.
Die Stunde der Gartenvögel in Hessen
Im Jahr 2025 wurde im Schnitt nur noch etwa 28 Vögel pro Garten gezählt – der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen. Vor zehn Jahren lag der Schnitt noch bei 36. Auch wenn die Bedingungen am Zählwochenende günstig waren, zeigt sich ein klarer Abwärtstrend.
Betroffen ist etwa die Amsel, bei der sich vermutlich das Usutu-Virus bemerkbar macht. In Hessen fielen die Einbrüche zwar weniger stark aus als in Norddeutschland, doch der Rückgang ist auch hier spürbar. Daneben nehmen die Sichtungen von Haussperling, Hausrotschwanz und weiteren Gebäudebrütern ab – auch, weil immer weniger Nistplätze an sanierten oder neugebauten Häusern zur Verfügung stehen. Trotz dieser Entwicklungen konnte der Mauersegler in Hessen aufgrund des sonnigen Wetters wieder häufiger beobachtet werden und landete auf Platz vier der am häufigsten gemeldeten Arten.
Ein warmes Frühjahr mit günstigen Zählbedingungen führte 2024 zu leicht steigenden Zahlen. Arten wie der Zaunkönig profitierten vom milden Winter und wurden häufiger gesichtet. Auch der Zilpzalp, ein Kurzstreckenzieher, kehrte offenbar früher zurück und legte bei den Meldungen zu. Besonders erfreulich aus hessischer Sicht: Die Zahl der Weißstörche nahm um 30 Prozent zu – deutlich mehr als im Bundesschnitt. Hessen entwickelt sich damit weiter zur Storchenhochburg.
Sorgen bereiten weiterhin die Schwalbenarten. Mehl- und Rauchschwalbe wurden deutlich seltener gezählt. Lediglich bei den Mauerseglern gab es ein leichtes Plus – auch wenn der mehrjährige Trend eher rückläufig bleibt. Die Ergebnisse unterstreichen einmal mehr die Bedeutung von dauerhaftem Monitoring.
Die Zählung 2023 fiel auf ein Wochenende mit wechselhaftem Wetter. Starke Regengüsse und Gewitter erschwerten vielerorts die Beobachtung – das spiegelt sich in den Ergebnissen wider. Besonders deutlich: Der anhaltende Rückgang bei gebäudebrütenden Insektenfressern wie Mauersegler und Mehlschwalbe setzte sich fort. Für diese Arten wird es zunehmend schwer, geeignete Brutplätze zu finden. Vogelfreundliche Sanierungen und gezielte Nistangebote können hier helfen.
Im Gegensatz dazu wurden Meisen- und Finkenarten häufiger gezählt als im Vorjahr. Ein möglicher Grund: Das sogenannte Mastjahr mit einem reichhaltigen Angebot an Baumfrüchten im Winter zuvor, das mehr Vögeln das Überleben erleichtert haben dürfte.
Ein paar Fallbeispiele unter der Lupe
Spatzen sind in Hessen, wie auch bundesweit mit Abstand die am häufigsten gemeldeten Gartenvögel. Bundesweit werden jedes Jahr 2,9% mehr Spatzen pro Garten gemeldet. Die lärmenden Spatzen-Trupps sind meist schnell zu entdecken und wegen ihrer Vorliebe für Auftritte in Gruppen auch leichter zu zählen.
Interessant ist dabei, dass neben den klassisch in Siedlungen auftretenden Haussperlingen auch immer mehr Feldsperlinge gesichtet werden. 2018 sichteten die hessischen Beobachter durchschnittlich 5,28 Haussperlinge und 1,59 Feldsperlinge pro Garten.
Der Anstieg der Feldsperlinge erklärt sich vermutlich durch das niedrigere Futterangebot in den Agrarflächen. Die anpassungsfähigen Spatzen wandern dann in erfolgversprechendere Lebensräume ab.

Mauersegler und Schwalben finden inzwischen immer seltener geeignete Nistplätze - Foto: Stephan Güthlein
Mauersegler haben als reine Fluginsektenfresser derzeit schwer zu kämpfen. Bei ihnen werden bundesweit die stärksten Sichtungsrückgänge verzeichnet. Bundesweit gingen die Sichtungen zwischen 2006 und 2018 pro Jahr um 6,7% zurück.
In Hessen sind Mauersegler noch häufiger zu sehen, als in den meisten anderen Bundesländern (nur in vier Bundesländern lagen die langjährigen Mittelwerte der Sichtungen pro Garten über dem hessischen Wert). Allerdings scheint es auch in Hessen einen deutlich sinkenden Bestandstrend zu geben. Die Meldungen gehen hier pro Jahr um 8,01% zurück.
Die Hauptprobleme der Mauersegler stellen der allgemeine Rückgang der Insektennahrung und das Wegfallen von geeigneten Brutplätzen an Hausfassaden dar.
Im Untersuchungszeitraum stieg die durchschnittliche Zahl der gemeldeten Ringeltauben pro Garten bundesweit um 3,6% pro Jahr. Auch in Hessen ließ sich dieser positive Bestandstrend beobachten. Hier stieg Anzahl der pro Garten beobachteten Ringeltauben von durchschnittlich 0,7 in 2006 auf 1,2 in 2018.
Diese Art lebte ursprünglich in offenen Landschaften mit kleineren Waldflächen oder Feldgehölzen. Die ehemals scheuen Ringeltauben haben inzwischen aber vor allem in Mitteleuropa die menschliche Nähe zu schätzen gelernt. Heute sind Ringeltauben auch in Grünanlagen, Parks, Friedhöfen und größeren Gärten heimisch.
Die Amsel ist nicht nur unsere häufigste Drosselart, sie ist in Deutschland die häufigste Vogelart überhaupt. Auch sie war vor etwa 150 Jahren noch ein eher scheuer Waldvogel. Amseln haben sich in unseren Städten und Dörfern so gut eingelebt, dass sie meist schon dreimal im Jahr brüten.
An ihrem Beispiel kann gut gezeigt werden, dass viele Faktoren die Bestände einzelner Vogelarten stark beeinflussen können und dass sich erst durch genaue Analyse der Umstände und eine langfristige Beobachtung wirklich Aussagen treffen lassen.
Die Amselbestände zeigten ab 2011 lokal starke Einbrüche. Der Grund war bald gefunden: Seit 2010 zirkuliert in Deutschland das für Vögel gefährliche Usutu-Virus. Obwohl über 30 Vogelarten nachweislich an dem Virus erkranken können, ist von den untersuchten 15 häufigsten deutschen Gartenvögeln nur der Bestand der Amseln deutlich betroffen. In Gebieten, wo das Usutu-Virus auftrat, gingen die Amselpopulationen von 2011 bis 2016 im Durchschnitt um 16 Prozent stärker zurück als im Rest Deutschlands. Eine allgemeine Gefährdung der Amsel es nicht zu befürchten, aber in den jeweiligen Ausbruchsgebieten gehen die Amselzahlen messbar zurück. Nach den Ausbrüchen steigt die Zahl dann langsam wieder an, stabilisiert sich möglicherweise auf einem etwas niedrigeren Niveau.
Besonders spannend ist nun die Frage, wie anhaltend der negative Einfluss auf die Amselpopulationen ist. Können sich deren Bestände in Gebieten, in denen sich das Virus etabliert hat, stabilisieren? Oder können sie gar die ursprünglichen Bestandsgrößen wieder aufbauen? Für diese Fragen sind Daten wie sie in der Stunde der Gartenvögel gewonnen werden äußerst hilfreich.