111 Jahre für Mensch und Natur
Vom Vogelschutzverein für das Großherzogtum Hessen zum NABU
Im Jahr 1908 rief der Geheime Staatsrat Dr. h.c. Wilhelm Wilbrand in Darmstadt den „Vogelschutzverein für das Großherzogtum Hessen“ ins Leben. Protektor war der Großherzog von Hessen-Darmstadt.
Zwei Hauptaufgaben hat sich der Verein gestellt: Er will zur Erweckung des allgemeinen Interesses Kenntnis verbreiten über das Leben und Treiben unserer Vögel und über die beste Art, sie zu schützen; denn wenn unser Volk erst die Vögel kennt und weiß, was es an ihnen hat, dann wird es auch etwas tun, sie nicht zu verlieren. Dann aber auch will der Verein selbst praktisch im Vogelschutz sich betätigen durch Schaffung von Nistgelegenheiten, Anlage von Vogeltränken und Winterfütterungen, gemeinsame Beschaffung von zweckmäßigen Nisthöhlen usw. wie er denn überhaupt in allen einschlägigen Fragen ein zuverlässiger uneigennütziger Berater sein will.
Aus Wilhelm Wilbrands Aufruf „An Alle und Jeden“ aus dem Gründungsjahr 1908.
Vom Vogel- zum Biotopschutz
Noch immer sind diese Ziele Kernaufgaben der aktuellen Verbandstätigkeiten des NABU: Mit den heutigen Worten werden die Aufgaben wie folgt beschrieben: Umweltbildung, Wissensvermittlung, Artenschutzmaßnahmen, Beratung von Politik und Verwaltung sowie Öffentlichkeitsarbeit.
Vom ursprünglichen Vogelschutz hat sich ab den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts das Tätigkeitsfeld auf den gesamten Bereich des Arten- und Biotopschutzes ausgebreitet. Dies spiegelt sich auch in der mehrfach geänderten Namensgebung des Verbandes wider.
Die Gründung des Vereins erfolgte, wie in vielen Bereichen des Vogelschutzes, Naturschutzes und Heimatschutzes in dieser Zeit durch leitende Forstleute. So war auch Dr. Wilhelm Wilbrand Chef der Forstverwaltung im Großherzogtum.
Problematische Nazizeit
Im Dritten Reich wurde der Verein gemäß einem Runderlass zur Regelung des Vereinswesens auf dem Gebiet des Naturschutzes des Reichsforstmeisters Hermann Göring als Oberste Naturschutzbehörde vom 24.09.1938 gleichgeschaltet, wobei der Vorsitz bei Dr. Karl Hesse bliebt, der sein Amt bis 1952 innehatte. Aus dieser Zeit liegen leider keine Unterlagen vor. Der Verein dürfte dem damaligen Zeitgeist gefolgt sein und hat sich nicht durch Widerstandshandlungen bemerkbar gemacht.
Landesforstmeister und Biologen
Bis 1980 waren immer die jeweiligen Landesforstmeister auch Vorsitzende des Bundes für Vogelschutz. Von 1980 bis 1990 wurden Politiker zu Vorsitzenden gewählt. Es waren die Mitglieder des Landtages Dr. Sybille Engel (FDP) und Dr. Werner Best (SPD).
In dieser Zeit wurde die Umweltbewegung gesellschaftlich stärker. Die Antiatombewegung und zahlreiche Umweltprobleme führten zur Gründung von weiteren Umweltorganisationen. Der Deutsche Bund für Vogelschutz tat sich mit Veränderungen und der Ausweitung des Aufgabenbereichs vom Vogelschutz zum Naturschutz zunächst schwer.
Erst 1990 führte eine Namensänderung auch zu einer wirklichen thematischen Neuausrichtung. In 1990 ging der Verbandsvorsitz dann an Biologen und der Aufbau einer mit hauptamtlichen Mitarbeiter*innen besetzten Landesgeschäftsstelle wurde intensiv fortgeführt.
Größter Naturschutzverband
Heute ist der NABU Hessen mit über 73.000 Mitgliedern in 23 Kreisbänden und 279 NABU-Gruppen flächendeckend vertreten und Hessens größter und ältester anerkannter Naturschutzverband. Auf Bundesebene unterstützen über 700.000 Mitglieder in 16 Landesverbänden den NABU. In der hessischen Landesgeschäftsstelle arbeiten inzwischen 15 hauptamtliche Mitarbeiter*innen. Eine möglichst flächendeckende Präsenz in den Städten und Gemeinden ist dem NABU seit seiner Gründung wichtig. Dies zeigt sich besonders in der Entwicklung der Mitgliederzahlen und der Anzahl der örtlichen NABU-Gruppen und Kreisverbänden in Hessen.
Die Abnahme der örtlichen NABU-Gruppen in den letzten zehn Jahren ist auf die organisatorische Zusammenführung von NABU-Mitgliedern und Gruppen in den Großgemeinden zurückzuführen. Auch haben sich einige örtliche Vogelschutzgruppen nicht dem NABU und seinen gesamten Aufgabenstellungen auf Orts-, Landes-, Bundes- und Internationalen Ebene anschließen wollen.
Heutige Ziele und Aufgaben
Im Jahr 2019, 111 Jahre nach der Vereinsgründung, formuliert der NABU Hessen seine Ziele folgendermaßen:
Der NABU möchte dafür begeistern, sich in gemeinschaftlichem Handeln für Mensch und Natur einzusetzen. Wir wollen, dass auch künftige Generationen eine Erde vorfinden, die lebenswert ist. Der NABU setzt sich darum für den Schutz vielfältiger Lebensräume und Arten ein sowie für gute Luft, sauberes Wasser, gesunde Böden und den schonenden Umgang mit endlichen Ressourcen.
Angegangen werden diese Ziele auf allen Verbandsebenen mit zum Teil unterschiedlichen Schwerpunkten. Der Föderalismus spielt im NABU eine große Rolle. Jede Verbandsgliederung legt ihre jeweiligen Arbeitsschwerpunkte selbstständig und in eigener Verantwortung fest.
Arbeitsschwerpunkte
Auf Landesebene spielt der Arten- und Biotopschutz eine herausragende Rolle. Der NABU Hessen tritt auch für die Sicherung von staatlichen Schutzgebieten ein. Er nimmt jährlich zu rund 2.000 geplanten Eingriffen in Natur und Landschaft Stellung. Weitere wichtige Themen sind die Natur- und Umweltbildung, die Jugendaktivitäten der NAJU, die NABU-Stiftung Hessisches Naturerbe, die fachliche Arbeit der Landesarbeitsgruppen und das umweltpolitische Engagement.
Auch nach 111 Jahren der Vereinstätigkeit sind die fachlichen und gesellschaftlichen Aufgaben von großer Bedeutung. Fragen des Klimawandels, der Energiewende, der Landnutzung, einhergehend mit einem Artensterben, stellen den Verband vor großen Aufgaben. Die stetig steigenden Mitgliederzahlen machen deutlich, dass diese Themen in der Gesellschaft angekommen sind.