Bäume bilden auf wenig festem oder schlecht durchlüftetem Boden gelegentlich Brettwurzeln aus, die ihre Standfestigkeit erhöhen, wenn keine tiefgründigen Wurzeln gebildet werden können. - Foto: Mark Harthun
Naturwaldstrukturen
Eine wichtige Voraussetzung für artenreiche Wälder
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An Hängen, oder nach Ausspülungen, findet man freiliegende Baumwurzeln, die vielen Tieren gute Versteckmöglichkeiten bieten - Foto: Mark Harthun
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Steinhaufen, wie dieser Lesesteinwall bieten gute Bedingungen für viele Tier- und Pflanzenarten - Foto: Mark Harthun
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Erosion durch Rutschungen oder Wasserabfluss schafft offene Bodenstellen, die für viele Insekten wichtig sind. Die Rohböden stellen die wenigen stickstoffarmen Stellen dar, weil ansonsten der Oberboden flächendeckend stark durch Stickstoff und anderen Schadstoffen belastet ist. So sind sie von großer Bedeutung für Pilze, Moose, Farne und Schachtelhalme. - Foto: Mark Harthun
Viele seltene Waldarten sind abhängig davon, dass genau ihre Naturwaldstruktur in ausreichender Anzahl vorhanden ist. In Wirtschaftswäldern kommen nur etwa 50 solcher Minilebensräume pro Hektar vor. In unbewirtschafteten Wäldern sind es hingegen 250 bis 300 Habitatstrukturen pro Hektar. Durch gezielte „integrierte“ Maßnahmen können sie im bewirtschafteten Wald gefördert werden. In kleineren Naturwäldern (z. B. Naturwaldreservate, im Durchschnitt 40 Hektar) nehmen sie nach der Unterschutzstellung kontinuierlich zu, sind aber auch nicht alle immer vorhanden. Denn die Naturwaldstrukturen sind oft kurzlebig.
Eine nachhaltige Überlebenschance haben die waldspezifischen Arten aber nur, wenn die Strukturen auch im dynamischen Wandel unterschiedlicher Waldentwicklungsphasen kontinuierlich vorhanden sind. Gleichzeitig müssen sie auch noch in ausreichender räumlichen Dichte vorhanden sein, weil die Ausbreitungsfähigkeit der Arten oft gering ist, oder gleichzeitig viele gleiche Strukturen benötigt werden (z. B. 30-40 Wechselquartiere der Bechsteinfledermaus). Dies können nur Wildnisgebiete (über 1000 Hektar) bieten, in denen auf Dauer keine Holznutzung stattfindet.
Bäume wachsen nicht nur schlank und gerade!
In Naturwäldern werden Bäume nicht nur doppelt so alt, sondern auch doppelt so dick wie in Wirtschaftswäldern. Dicke Stämme sind für die großen Höhlen der Schwarzspechte, für Fledermauswochenstuben oder warme Winterquartiere überlebenswichtig. Der Holzkäfer Eremit findet nur in dicken Bäumen ausreichend große Höhlen mit mehreren hundert Litern Mulm (u.a. Holzmehl).
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Dieser toter Baumriese im Reinhardswald bietet auch jetzt noch unzähligen Tieren einen Lebensraum - Foto: Mark Harthun
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Bizarr gewachsene Bäume bieten viel mehr Lebensraum für Bewohner, als glatte, gerade Stämme. - Foto: Mark Harthun
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Nur auf großen Bäumen können Greifvögel Traditionshorste bauen. Die Horste dienen nicht nur den Erbauern (wie hier dem Rotmilan), sondern werden auch von zahlreichen weiteren Arten genutzt.- Foto: NABU/Maik Sommerhage
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Schräg stehende Bäume dienen Wildkatzen, Luchsen oder Baummardern als Leitern zwischen den verschiedenen Etagen des Waldes. Moose lieben die feuchte Seite krummschäftiger oder schräg stehender Bäume. Flechten finden sich an der trockenen Unterseite. - Foto: Mark Harthun
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In Wassertöpfen sammelt sich Regenwasser hier können sich sogar Amphibien wie der Laubfrosch vermehren. Es gibt einige Arten, wie die Totenkopf-Schwebfliege, die Hummelschwebfliege oder den Sumpffieberkäfer, die an Wassertöpfe gebunden sind. - Foto: Mark Harthun
Rindenstrukturen entscheiden über ihre Bewohnbarkeit
Für einige Arten im Wald spielt die Rindenstruktur eine wichtige Rolle: So braucht der Mittelspecht Bäume mit rauer Borke, in der er nach Insekten stochert. Diese grobe Rinde findet er heute im Wald vor allem an Eichen, Ulmen oder Hainbuchen. Denn die Buchen werden zu früh gefällt. Im Naturwald wäre der Mittelspecht daher auch ein Buchenwald-Bewohner.
Baumkrebs wird durch Pilze oder Bakterien ausgelöst. Der Baum versucht, abgestorbene Rindenbereiche zu überwallen. Auch sie verbessern die Lebensbedingungen für Stammkletterer wie den Mittelspecht und die Baumläuferarten und sind Ansatzpunkte für Holzpilze, die wiederum Insekten die Ansiedlung ermöglichen.
Pilze und Pflanzen auf Bäumen bieten Lebensräume
Auf Bäumen leben wiederum andere Pflanzen (Epiphyten=Aufsitzerpflanzen) oder Pilze. Sie bieten Kleinstlebensräume für viele weitere Arten. Auffällig sind die großen Fruchtkörper von Baumpilzen, wie dem Zunderschwamm oder dem Rotrandigen Baumschwamm. Der Zunderschwamm ist eine sehr wichtige Art für den Erhalt der Biodiversität, weil bestimmte Käfer-, Motten- und Wanzenarten abhängig von den Fruchtkörpern als Nahrungsquelle sind. Er schafft für viele Jahre verschiedene Holz-Zersetzungsstufen, die wiederum von anderen Arten (z. B. Laubholz-Harzporling oder Ästiger Stachelbart) besiedelt werden. Wenn ein Stamm durch Holzpilze weicher geworden ist, kann auch der Kleinspecht direkt unter den Pilzkonsolen seine Höhle bauen.
Die Ranken von Kletterpflanzen nutzen Baummarder und Wildkatze als Kletterhilfe. Dichte Efeumäntel bieten Schutz für Schlafnester oder Brutplätze für Zaunkönig, Drosseln, Fliegenschnäpper, Schwanzmeise und Grasmücken. Die Beeren sind im Winter eine wichtige Nahrungsquelle.
Ältere, anbrüchige Bäume bieten neue Habitatstrukturen
Je älter Bäume werden, desto häufiger werden auch Wunden oder Schadstellen, die für die Artenvielfalt wichtig sind. In der Alters- und Zerfallsphase des Waldes finden sich mehr Bäume mit Rissen, Spalten, abblätternder Rinde oder abgebrochenen Kronen. Solche Bruchstellen sind oft sonnenexponiert und bündeln ganz verschiedene Kleinstlebensräume für viele Arten. Später entstehen dort meist Baumhöhlen.
Höhlen sind Quartiere für viele Tiere
Höhlen gibt es in vielen verschiedenen Ausprägungen, und jede hat ihre eigenen Bewohner. So nutzt die Bechsteinfledermaus gern die wärmebegünstigten Höhlen des Buntspechtes, hingegen das Braune Langohr lieber Höhlen, die aus Astabbrüchen entstanden sind. Manche Arten nutzen alte Spechthöhlen nur, wenn vor ihnen bereits andere Arten dort gewohnt haben.
Im Laufe der Zeit können sich Höhlenetagen bilden, ein höchst wertvolles Nischensystem im Stamm aus verschachtelten Hohlräumen, Gangsystemen, Klüften und Mulmkörpern, dass sich nach nun nach über die ganze Länge des Stammes ausdehnt. Ein attraktiver Lebensraum für Haselmaus, Siebenschläfer und Waldkauz.
Selbst tote Bäume leben noch
Totholz ist in seinen unterschiedlichen Feuchtigkeits- und Zersetzungsstadien ein Lebensraum für ganz verschiedene Arten. Unter den Wurzeln umgekippter Bäume bilden sich Hohlräume, die als Versteck oder Wurfplatz von Iltis, Steinmarder, Wildkatze oder sogar von Wölfen genutzt werden können. Wurzelteller bieten trockene Bedingungen, die attraktiv für Insekten sind, und feuchte Bedingungen in der verbleibenden Bodenmulde. Auf den hohen Wurzeltellern sind Keimlinge neuer Bäume vor Wildverbiss geschützt. Kröten, Frösche oder der Teichmolch finden in den Löchern unter umgebrochenen Wurzeltellern einen Lebensraum.
Manchmal werden gezielt Stammstücke in bewirtschafteten Wäldern im Wald belassen, um Totholz anzubieten. Es gibt Empfehlungen, ob diese eher besonnt oder beschattet platziert werden sollten. Verglichen mit liegenden Baumstämmen in alten Naturwäldern haben diese oft den Charme von Bauholz aus dem Baumarkt. Solch „arrangiertes Totholz“ ist nicht vergleichbar mit natürlich gereiftem Totholz. Bei einem natürlich umgestürzten Baum hat die Holzzersetzung durch Pilze bereits vor vielen Jahren im noch lebenden Baum begonnen. Das Pilzmyzel und die darauf spezialisierten Insekten lassen das Holz reifen, welches beim Umstürzen schnell von weiteren Arten besiedelt werden kann. Bei arrangierten, gesunden Stammstücken dauert dies erheblich länger.
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