Biberburgen an Flüssen sind leicht erkennbar - Foto: Jan Gräf
Bockert der Baumeister
Der Biber breitet sich in Hessen wieder aus
Im Jahr 1596 wurde der letzte hessische Biber an der Gersprenz im Odenwald gesichtet. Die intensive Bejagung des größten europäischen Nagers sorgte dann vorerst für sein Verschwinden von der Landkarte. Ein Wiederansiedlungsprojekt in den späten 1980er Jahren ebnete den Boden für das Comeback des Auenarchitekten nach Hessen: Aus den anfänglichen 18 Pionierbibern im Spessart sind mittlerweile mindestens 1.200 hessische Genossen geworden, viele sind auch nach Unterfranken abgewandert. Erfolgreich verlief das Projekt vor allem, weil die Biber mit Gewässerentwicklungsstreifen einen freien Raum zur Gestaltung ihrer Lebensräume bekamen, Behörden das Projekt professionell begleiteten und ein Netz aus ehrenamtlichen Biberbetreuern für die Akzeptanz des Rückkehrers warb. Der NABU Hessen richtet sein Biberengagement nach dieser Erfolgsstrategie aus.
Gewässerentwicklungsstreifen ausweisen
Biber müssen stets nagen, um ihre ständig wachsenden Zähne abzuwetzen. Sie fressen die Rinde von Bäumen und fällen diese, um an die frischen Blätter und Zweige der Krone zu kommen. Das übrige harte Holz verwenden Biber zum Bauen von Staudämmen oder Burgen. Im Sommer fressen sie auch Uferstauden wie Brennesseln und Wiesenkräuter. Für den Winter legen sie sich unter Wasser "Holzlager" an, denn Biber halten keinen Winterschlaf und brauchen auch dann Nahrung. Um vom Ufer leicht in den Fluss zu gelangen, gleiten sie auf von ihren selbst gebauten Erdrinnen, den sogenannten „Biberrutschen", das Ufer hinab. Aufgrund ihrer regen Bauaktivität gelten sie als Landschaftsgestalter im Tierreich.
Manchen Gewässeranrainern sind die baulichen Begabungen von Meister Bockert ein Dorn im Auge, für das Land Hessen kommt die Rückkehr des Bibers jedoch genau zur rechten Zeit. Bis 2027 sollten nach EU-Vorgaben alle Gewässer einen „guten ökologischen Zustand" erreichen – Hessen ist jedoch noch weit von diesem Ziel entfernt, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. Die gestalterischen Ambitionen des 1,30 Meter großen Nagers verwandeln begradigte und verbaute Flüsse zum Nulltarif in naturnahe Gewässerlandschaften. Deshalb setzt sich der NABU für die Ausweisung von Gewässer-Entwicklungsstreifen ein. So hätte er 10 bis 30 Meter breite Schutzzonen an beiden Flussufern, in denen der Baumeister die Gewässer frei gestalten kann.
Die „Handschrift" des Bibers
Biberbäume liegen lassen
Da den Bibern im Winter keine krautige Nahrung zur Verfügung steht, fällen die Tiere häufiger Bäume. So gelangen sie an die zarten Zweige, Knospen und Rinde, die in der kalten Jahreszeit eine wichtige Nahrungsgrundlage für die großen Nagetiere darstellen, denn Biber halten keinen Winterschlaf und brauchen auch jetzt die frische Nahrung.
Wichtig ist es, diese Bäume in Ufernähe liegen zu lassen oder wenn sie stören sie nur etwas beiseite zu rücken. Werden die Bäume weggeräumt oder die Kronen gehäckselt, hat der Biber auf einen Schlag deutlich weniger zu fressen und fällt den nächsten Baum.
Wer wertvolle Gehölze oder Obstbäume vor einem Verbiss durch Biber schützen möchte, kann das durch Drahtummantelungen oder spezielle Anstrichmittel tun. Im Frühling und Sommer stellen Biber ihre Ernährung dann wieder auf krautige Pflanzen, wie zum Beispiel Brennnesseln, Giersch, Schilf, Rohrkolben, Seerose und verschiedene Gräser um. Es sind über 350 krautige Pflanzen dokumentiert, welche sie in dieser Zeit fressen.
Im Einsatz für den Biber
Der Biber breitet sich mittlerweile in Hessen weiter aus: Erste Spuren an Schwalm, Fulda, im Odenwaldkreis und im Lahnsystem allein in den letzten Jahren zeigen, mit welcher Geschwindigkeit sich der über einen Meter große Nager seinen Lebensraum zurückerobert. Damit er auch überall willkommen ist, werben ehrenamtliche NABU-Biberbotschafter mit Führungen, Exkursionen und Vorträgen für den sympathischen Auenarchitekten mit der charakteristischen Schwanzkelle. Ein bundesweit einzigartiges Leuchtturmprojekt war das Bibermobil des NABU Wetterau. Für Jung und Alt buchbar, hielt es eine Vielzahl an Bildungsangeboten zum Lebensraum Fließgewässer mit all seinen Tierarten bereit.
Ehrenamtliches Engagement für den Biber ist ein wichtiger Teil für die Überzeugungsarbeit vor Ort. Doch langfristig muss diese Pionierarbeit von Seiten der Politik und Behörden durch ein aktives Bibermanagement und der Ausweisung von Gewässerentwicklungsstreifen unterstützt und gefördert werden. Sonst erlischt die Flamme der ehrenamtlichen Sympathisanten und der Biber wird medial womöglich als "Problemtier" enden.